Der gebürtige Schweizer Andreas Holler lebt seit vielen Jahren in Neuseeland und Australien. Dem gelernten Heizungsbauer und studierten Sozialwissenschaftler ist gesundes und ökologisches Bauen ein großes Anliegen und er ist nach Österreich gekommen, um sich näher mit dem Strohbau zu beschäftigen. Wir freuen uns ganz besonders, dass er heute für SonnenKlee als Interviewpartner bereitsteht.
SonnenKlee: Andreas bitte stell dich unseren LeserInnen kurz vor.
Andreas Holler: Ich lebe in Perth, West-Australien. Zuvor lebte ich in Christchurch, Neuseeland, wo ich eine Beraterfirma für Energy-smart homes leitete. Wegen der regen Erdbebenaktivität in Christchurch, sind wir umgesiedelt nach Perth. Meine berufliche Laufbahn begann mit der Ausbildung zum Gebäudetechniker mit Spezialgebiet Heizung. Später bildete ich mich dann noch weiter zum Ingenieur für Heizung, Lüftung und Klimatechnik. Schon sehr früh in meiner Ausbildung erkannte ich, dass gut gedämmte Wände, kombiniert mit guten Fenstern, enorm hohen Einfluss auf das Wohlbehagen der Bewohner haben. Später bekam die Gebäudephysik und ethisch verantwortungsvolle gesamtheitlich geplante Gebäudestruktur für mich einen immer höheren Stellenwert. Ich studierte dann auch noch Soziologie, weil ich einfach ein noch besseres Verständnis für den Menschen und sein soziales Verhalten entwickeln wollte. Warum möchten so viele Menschen zwar eigentlich Energie sparen, setzen dies dann aber nicht wirklich um? Und warum werden dann so oft Lösungen wählt, die schlecht für die Umwelt sind und schlussendlich der Menschheit selbst enorm schaden? Ein Paradoxon, auf welches ich bis heute leider immer noch keine endgültige Antwort gefunden habe.
SonnenKlee: Warum ist das Thema gesundes und ökologisches Bauen für dich wichtig?
Andreas Holler: Ich glaube, dass wir als Menschen während unseres Lebens die Verantwortung und Fürsorgepflicht für die Erde, diesem wunderbaren, in unserem Sonnensystem einzigartigen Planeten tragen. Es gibt keine zweite Erde neben unserer. lm Klartext heißt das für mich, dass eine verantwortungsvolle und gesamtheitlich Planungsweise unerlässlich ist. Gesundes und ökologisches Bauen führt zur Konsequenz, dass die gesamte Gebäudetechnik wesentlich kleiner und weniger komplex wird. Dementsprechend ist auch der Energieverbrauch wesentlich kleiner und die laufende finanzielle Belastung für die Bauherren schrumpft auf fast belanglos kleine Werte, ergo minimiert man damit auch die Umweltbelastung. Es ist ein sozioökonomischer Gewinn für alle Beteiligten. Der Gewinn für ein heute total überlastetes Gesundheitssystem ist eine weitere positive Konsequenz. Zum Schluss ist hier die enorm wichtige Anmerkung zu machen, dass wir unbedingt einen Beitrag leisten müssen und können, den CO2-Ausstoß zu reduzieren. Dies kann nur erreicht werden, indem der Einsatz von fossilen Brennstoffen enorm reduziert wird und gleichzeitig nachwachsende Baumaterialien, die beim Wachstum CO2 binden, wie z.B. Stroh oder Hanf, verstärkt zur Anwendung kommen.
SonnenKlee: Wie ist die aktuelle Situation betreffend ökologisches und energieeffizientes Bauen in Neuseeland und Australien?
Andreas Holler: Leider sehr schlecht. Die verantwortlichen Personen in wichtigen politischen Schlüsselpositionen, verfolgen die Vogel-Strauß-Strategie (Kopf in den Sand). Außerdem hat vor allem Australien riesige Kohlevorkommen, die noch Jahrhunderte ausreichen werden. Das Land ist enorm reich an Rohstoffen und spürt keinen Handlungsdruck. Obwohl viele von den existierenden Kraftwerken veraltet und überlastet sind, scheint es den verschiedenen Staatenregierungen keine Engpassstrategie zu geben. Die australischen Baubehörden haben immer noch U-Werte, die viel zu hoch sind und hier im EU-Raum heute nicht mehr vorstellbar wären.
SonnenKlee: Siehst du eine Chance, dass in Australien und Neuseeland mit Stroh und Lehm gebaut wird?
Andreas Holler: Im heutigen sehr konkurrenzstarken Umfeld, wo vor allem mit Backstein-Ziegel gebaut wird, stehen die Chancen für Stroh als Baumaterial nicht besonders gut.
Die Gründe dafür sind folgende
- Die Grundstückspreise sind enorm hoch und weil Strohballenhaus-Wände oft dicker sind, benötigt man somit mehr teures Bauland.
- Das Termitenproblem ist weitverbreitet und die damit verbundenen Bauschäden hoch (bei Holzbauten – nicht bei Strohdämmung).
- Die Bauordnung verlangt keine besonders guten U-werte, die ein Strohballenhaus natürlicherweise hat und somit ist auch die Motivation für gute Dämmung bei Bauherren oder den ausführenden Baufirmen sehr gering.
- Bauholz kann nach der heutigen australischen Bauverordnung nur dann verwendet werden, wenn es gegen das Termitenproblem behandelt worden ist. Diese Holzbehandlung ist genau spezifiziert und verankert in der Bauverordnung.
SonnenKlee: Wie gefällt es dir in Österreich?
Andreas Holler: Es ist ein wunderschönes Land und es würde hier den Schriftraum sprengen, wenn ich hier darüber schreiben würde….. Was mich vor allem beeindruckt ist, dass man hier versucht eine offene Diskussion zu führen, wie eine zukünftige Energieversorgung aussehen könnte und was die notwendigen Schritte dazu sein sollten.
Ich habe sehr positive Ansätze im Hausbau und im öffentlichen Verkehr gesehen. Wir in Perth zum Beispiel träumen nur von einem solchen Öffi-System, wie ihr es in Wien habt.
SonnenKlee: Wie ich gehört habe, hast du dich als Schweizer viel mit Baunormen beschäftigt. Was würde es deiner Meinung nach im Bereich Normen bauchen, um es Planungsbüros und ausführenden Unternehmen in Österreich und vielleicht auch in ganz Europa, leichter zu machen mit nachwachsenden Rohstoffen zu bauen?
Andreas Holler: Ein klares Umdenken wie wir als Gesellschaft mit unserer Umwelt umgehen. Das bestehende Wirtschaftsmodell welches auf den Gesetzen von ständig erforderlichem Konsumwachstum und resultierendem Profit aufgebaut ist, muss neu überdacht werden. Das bestehende Wirtschaftsmodell beweist weltweit, dass es nicht funktioniert und uns als Gesellschaft fordert immer neue Umweltbelastungen zu bewältigen. Wir müssen ein neues Wirtschaftsmodell finden.
Es müssen gezielt neue Ausbildungsprogramme entwickelt werden, wo bereits sehr früh gesamtheitliches Denken geschult wird.
Für Bauherren, Planer und ausführende Unternehmen sollte es Steuernachlässe geben, wenn sie sich gezielt und nachweisbar für solche Thematik einsetzen.
Allen anderen, welche aktiv die Umwelt belasten, sollen enorm mehr Steuern bezahlen. Dies nach den Regeln des Verursacherprinzips. Und das gilt für alle, sei es jetzt die Stahlindustrie oder der kleine Bürger.
SonnenKlee: Wie siehst du die zukünftigen Entwicklungen im ökologischen Baustoffbereich und denkst du, dass der Klimawandel ein Umdenken im Baubereich bewirken wird?
Andreas Holler: Die Entwicklungen sind sehr gut. Nicht nur Baustroh entwickelt neue Produkte, sondern auch der Hanfanbau. Die Produktion von Hanfsteinen, Hanfdämmungen und einige Tonprodukte zeigen gute Wachstumspotenziale.
Außerdem ist die Forderung des Endverbrauchers für das gesunde Bauen stark am Wachsen.
SonnenKlee: Gibt es vielleicht ein besonderes Projekt im Bereich gesundes und energieeffizientes Bauen, bei dem du mitgewirkt hast und von dem du uns erzählen möchtest?
Andreas Holler: In der Schweiz durfte ich 1978 die erste Sonnenkollektoranlage bauen, die für ein 6-stöckiges Bürohaus konzipiert war. Dieses Gebäude steht inmitten Zürichs Bankenviertel. Auch wurde damals speziell der Warmwasserspeicher im Erdreich unter der Fundamentplatte so gebaut, das man nicht nur ein großes Speichervolumen besaß, sondern auch eine super Dämmung hatte. Man zeigte damit auf, was für eine große Wirkung eine gute Dämmung haben kann. Das Gebäude wurde schon damals mit besseren U-Werten und entsprechendem Dämmmaterial ausgerüstet. Dieses Gebäude bildete dann den Anstoß für viele folgende Neu-/Umbauten mit derselben Planungsphilosophie. Später in Neuseeland durfte ich bei Einfamilienhausbauten und auch kommerziellen Bauten mitwirken.
Generell kann man sagen, dass in allen Projekten immer bereits in der frühen Planungsphase die Grundsatzentscheidung gefällt wurde, gesund und energieeffizient zu bauen. Ich glaube, dass dies der Kernpunkt überhaupt ist für alle solche Infrastrukturprojekte. Diese Grundsteine bilden die Fundamente eines jeden Bauvorhabens. Das ist wirklich entscheidend für das Gelingen solcher Projekte.
Zusammenfassend kann ich sagen, wäre ich damals als junger Heizungsbauer im Jahr 1978 nicht der Idee des energieeffizienten Bauens ausgesetzt gewesen, hätte sich in meinem Leben sicher vieles anders entwickelt. Was ich damit sagen will ist, wie wichtig Ausbildung und der Einfluss gesamtheitlicher Denkweise ist.
SonnenKlee: Was möchtest du unseren Leserinnen sonst noch mitgeben?
Andreas Holler: Wir leben wohl heute in einer sehr dynamischen, schnellen Welt. Der Informationsfluss war nie so groß wie heute. Wir sollten jetzt aber versuchen bei dieser Flut von Daten das essenziell Wichtigste nicht zu vergessen.
Nie aufgeben und alle Planungs- und Aktionsschritte eben offen und transparent diskutieren.
Ich möchte aber hier die Frage in den Raum stellen: Was machen wir Menschen, wenn wir unsere Gesundheit und Umwelt/Lebensraum nicht mehr haben?
Der allgemeine Glaube darf nicht mehr ein Wirtschaftswachstum unter allen Umständen sein.
Ein gesamtheitliches Denken mit dem vollen Verständnis für „jede Aktion mit seinen Wirkungen und Folgen zu betrachten“ muss wieder in das Zentrum unseres menschlichen Bewusstseins rücken.
Lieber Andreas, vielen Dank für das sehr interessante Interview!