Martin Rummel, Baubiologe IBN, Enthusiast für energieeffizientes, gesundes und ökologisches Bauen

Martin Rummel ist ein erfahrener Fachmann für den Bereich Holzbau, naturnahe Produkte und energieeffiziente Bausysteme. Mit seinem fundierten Wissen und seiner Leidenschaft für innovative und ökologische Lösungen, treibt er den Einsatz der zukunftsweisenden Stroh-Einblasdämmung bei der Firma Harrer voran. Wir freuen uns sehr, dass er unsere SonnenKlee-Interviewfragen beantwortet hat.

SonnenKlee: Guten Tag Herr Rummel, bitte stellen Sie sich unseren Leser*innen kurz vor.

Martin Rummel: Nach meiner Ausbildung zum Zimmermann in der Nähe von Bad Tölz habe Bauingenieurwesen  (Vertiefung Bauen im Bestand) in München studiert und später noch eine Weiterbildung zum Baubiologe IBN im Fernstudium besucht. Im Februar dieses Jahres bin ich mit meiner kleinen Familie von München nach Graz übersiedelt. Nach einigen Stationen in ausführenden Holzbaufirmen bin ich in den Handel gewechselt. Es macht mir große Freude, zukünftige Bauherren und andere Entscheidungsträger über nachhaltige Bauprodukte zu beraten. Seit kurzem schreibe ich regelmäßig Fachartikel auf LinkedIn und möchte so meine Erfahrungen mit alternativen und klimaresilienten Baustoffen an ein breites Publikum weitergeben.

SonnenKlee: Sie forcieren bei der Firma Harrer die Stroh-Einblasdämmung. Was sind die Vorteile dieses Produkts und warum sollte ein Planer, Architekt oder Bauherr/-frau es einsetzen?

Martin Rummel: Meiner Meinung nach sind viele Entscheidungsträger am Bau auf der Suche nach einer Dämmung, die in der Herstellung nur ganz wenig Primärenergie benötigt und die sowohl im Sommer als auch im Winter geeignet ist, um ein behagliches Wohnklima zu schaffen. Des Weiteren sollte es sich um einen Dämmstoff aus nachwachsenden Ressourcen handeln, der CO2 speichert, was für ein positives Image des jeweiligen Bauvorhabens sorgt. Auch sollte die Dämmung die Baustellenumgebung sauber halten und problemlos zu entsorgen sein. Stroh-Einblasdämmung hat all diese Produkteigenschaften. Zudem ist es regional fast unbegrenzt verfügbar. Stroh ist ein Alleskönner.   

SonnenKlee: Wie wird Stroh als Einblasdämmung hergestellt und wie wird es in den Wänden eingebracht?

Martin Rummel: Die Einblasdämmung aus Stroh wird aus Weizenstroh oder Bio-Weizenstroh hergestellt. Üblicherweise wird das Stroh am Feld in Großballen gepresst und später klein geschnitten und entstaubt, womit es dann als Einblasdämmung einsatzfähig ist. Als Nebenprodukt der regionalen Getreideproduktion weist BauStroh eine hervorragende Ökobilanz auf. Die Einblastechnik ermöglicht eine schnelle, saubere und fugenlose Verarbeitung. Das Einblasstroh wird witterungsgeschützt in Säcken auf Paletten geliefert. Einblasdämmung aus Stroh kann für die bauseitige Dämmung mit herkömmlichen Einblasmaschinen verwendet werden. Dies ist sowohl bei Neubauten als auch bei der nachträglichen Dämmung von Altbauten möglich.

SonnenKlee: Wie wirkt sich Stroh als Einblasdämmung auf die Energieeffizienz und die Gesamtenergiebilanz eines Gebäudes aus?

Martin Rummel: Wie schon angesprochen punktet Stroh-Einblasdämmung sowohl im Winter als auch im Sommer. Bei einer Rohdichte von ca. 120 kg/m³ – im eingeblasenen Zustand – lässt sich ein ausgezeichneter sommerlicher Hitzeschutz erreichen. Noch dazu reguliert Stroh als sorptionsfähiger und hygroskopischer Baustoff die Feuchtigkeit: bei Verdunstung wird Energie vernichtet („Verdunstungskälte“); bei Absorption wird Energie frei (Phasenübergang zwischen flüssigem und gasförmigem Aggregatszustand; oder entgegengesetzt); Zum einen sind sich sogar viele Fachleute über diese Eigenschaften nicht im Klaren, zum anderen sind diese Produkteigenschaften bei der Leistungsbeschreibung nicht berücksichtigt worden. Einen Dämmstoff NUR über die WLG (Wärmeleitgruppe) zu verkaufen, halte ich für viel zu kurz gegriffen. Das ist ungefähr so, als würde ich ein Auto nur über die Farbe des Lackes verkaufen.

Im Beratungsgespräch erkläre ich das immer so: „Was nutzt Ihnen eine WLG von 0,032 W/(m*K), wenn Sie jeden Sommer trotzdem zwei Wochen im Keller Ihres Einfamilienhauses schlafen müssen, weil Sie es im Dachgeschoss nicht aushalten?“ Eine Konstruktion muss im Sommer funktionieren, dann funktioniert sie auch im Winter. Umgekehrt ist das leider nicht der Fall.“

Die Beiträge, die ich in jüngerer Vergangenheit gelesen habe, sprechen davon, dass wir in der Vergangenheit Häuser für ein Klima gebaut haben, das es nicht mehr gibt. Die Mehrheit ist sich über die Tragweite dieser Aussage gar nicht bewusst.

SonnenKlee: Was sind die klassischen Einsatzbereiche von Stroh-Einblasdämmung und kann der Dämmstoff auch bei Bestandsgebäuden zur Sanierung oder Erweiterung eingesetzt werden?

Martin Rummel: Stroh-Einblasdämmung wird in der Regel in sechsseitig geschlossene Gefache oder Hohlräume eingeblasen. Dies können Holzrahmenbaukonstruktionen von Holzhäusern, Holztramdecken oder klassische Dachstühle sein. Dass Stroh auf oberste Geschossdecken offen aufgeblasen wird, wird – nach meinem Wissenstand – eher selten praktiziert, funktioniert aber auch. Aufgrund dessen, dass Stroh-Einblasdämmung keine Nährstoffe enthält, ist es für Nagetier und dergleichen uninteressant.

In der Sanierung kann Stroh-Einblasdämmung zwischen die Staffel einer auf den Bestand gedübelten Holzrahmenkonstruktion eingeblasen werden. Wird diese HRB-Konstruktion mit Putzträgerplatten aus Holzfaser beplankt, dann kann das Gebäude abschließend verputzt werden. Das Erscheinungsbild eines Gebäudes ändert sich im Großen und Ganzen also nicht. Übrigens ist bei bestimmten Putzträgerplatten ein Rastermaß von max. 83,3 cm zwischen den Staffeln möglich. So lässt sich die Wärmebrückenwirkung der Staffel weiter reduzieren.

SonnenKlee: Wie sieht es mit der Lebensdauer von Strohdämmung aus und wie kann das Material schlussendlich entsorgt werden, oder kann es im Sinne der Kreislaufwirtschaft auch wiederverwendet werden?

Martin Rummel: Strohdämmung ist ein sehr umweltfreundlicher Dämmstoff, der aus einem landwirtschaftlichen Nebenprodukt hergestellt wird. Wenn die Strohdämmung fachgerecht verarbeitet und vor Witterung und Nässe geschützt wird, verspricht der Dämmstoff eine lange Lebensdauer. Ähnlich wie bei der umgebenden Holzkonstruktion kann hier kein „Mindesthaltbarkeitsdatum“ im Sinne einer maximalen Lebensdauer angegeben werden.

Die Entsorgung von Einblasstroh ist unproblematisch, da es biologisch abbaubar ist und somit kompostiert werden kann. Alternativ könnte es auch energetisch genutzt werden.

Im Sinne der Kreislaufwirtschaft kann Strohdämmung auch wiederverwendet werden. So können beispielsweise alte Strohballen als Dämmstoff für neue Gebäude verwendet werden. Aber auch Stroh als Einblasdämmung wird in 40 oder 50 Jahren als gebrauchtes Bauprodukt einen Abnehmer finden – da bin ich mir sicher. Bis dahin wird eine Weltbevölkerung von 10 Milliarden Menschen vorhergesagt.

SonnenKlee: Wie kann eine noch breitere Akzeptanz von ökologischen Baumaterialien wie zum Beispiel Stroh-Einblasdämmung geschaffen werden?

Martin Rummel: Ich denke, wir leben in einer Zeit, in der sich viele Menschen für alternative Baumaterialien interessieren. Die Informationen dazu waren noch nie so einfach zu bekommen. Es ist trotzdem wichtig, das Bewusstsein für die Vorteile von ökologischen Baustoffen weiter zu schärfen. Ich gehe sehr stark davon aus, dass in Zukunft auch entsprechende Regularien (Steuervergünstigungen, Subventionen) einen wirtschaftlichen Anreiz schaffen werden. Wir Fachleute dürfen nicht müde werden, über die Vorteile von alternativen Baustoffen zu sprechen. Der Mensch im Allgemeinen ist leider ein Gewohnheitstier und wendet sich nur ungern von gewohnten Strukturen ab. Baustoffe müssen sich über ca. 20 bis 30 Jahre „bewähren“ bis sie auf Akzeptanz stoßen. Die Handys in unserer Hosentasche dürfen dagegen nicht älter als zwei Jahre sein. So ist das leider…

SonnenKlee: Der Holzbau hat sich in den vergangenen Jahren auch sehr stark im großvolumigen Bau etabliert. Wie war dies möglich und was könnte man daraus für einen breiteren Einsatz von Stroh-Einblasdämmung lernen?

Martin Rummel: Der Holzbau hat sich in den vergangenen Jahren im großvolumigen Bau etabliert, weil er eine nachhaltige Alternative zu konventionellen Baumaterialien darstellt. Holz ist ein nachwachsender Rohstoff und somit umweltfreundlicher als andere Baumaterialien. Außerdem ist Holz ein sehr vielseitiger Baustoff, der sich für eine Vielzahl von Anwendungen eignet. Im großvolumigen Bau bietet Holz viele Vorteile, wie zum Beispiel eine hohe Tragfähigkeit, eine gute Wärmedämmung und eine kurze Bauzeit. Darüber hinaus sind Holzbauten sehr energieeffizient und können somit dazu beitragen, den Energieverbrauch zu reduzieren. Das gleiche gilt für den Baustoff Stroh. Es ist wichtig, das Endverbraucher-Bewusstsein für die Vorteile von Stroh zu schärfen. Dazu können Informationskampagnen (z. B. Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V. (fnr e. V.) in Deutschland), Workshops und Schulungen beitragen. Die Menschen müssen verstehen, dass Stroh nicht nur umweltfreundlicher ist, sondern auch gesünder und energieeffizienter. Des Weiteren ist es wichtig, kontinuierlich in Forschung und Entwicklung zu investieren, um die Eigenschaften und Leistungen von Stroh als Baustoff zu verbessern. In meinen Augen zeigt der Weg des BauStrohs steil nach oben. Stroh ist Zukunft !

SonnenKlee: Gibt es noch etwas, das Sie unseren LeserInnen mitgeben möchten?

Martin Rummel: Haben Sie den Mut beim Bauen – und auch sonst – einen neuen Weg zu gehen! Erkundigen Sie sich bei unabhängigen Stellen über die Vorzüge von alternativen Baustoffen aus nachwachsenden Rohstoffen. Experten sind sich einig, dass die Sommermonate in Zukunft, die eigentliche Herausforderung werden. Noch hat der Laie kein Gespür dafür, welche Aufwendungen und Kosten für Kühlung notwendig werden. Alternative Baustoffe sind hier sehr oft die besseren Alleskönner.

Aber auch sonst…

Jeder von uns kennt einen circa 10-jährigen Menschen, den er liebt. Auch diese Menschen haben ein Recht auf einen lebenswerten Planeten.

Sechs von neun planetaren Grenzen sind zum aktuellen Zeitpunkt bereits überschritten. Dabei spreche ich von ökologischen Grenzen der Erde, deren Überschreitung die Stabilität des Ökosystems der Erde und damit das Vorankommen der Menschheit gefährdet. Jeder einzelne von uns sollte von Zeit zu Zeit innehalten und sein (gewohntes) Tun und Handeln überdenken.

Ich zum Beispiel bin vom Auto aufs Lastenrad umgestiegen und es macht einfach nur Spaß vor dem Eingang eines Supermarktes in der ersten Reihe zu parken. Damit möchte ich betonen, dass Veränderungen auch positive Nebeneffekte haben können. Probieren Sie’s aus! Es würde mich freuen, wenn ich Ihr Stein des Anstoßes sein könnte.

 

Lieber Herr Rummel, vielen Dank für das sehr spannende Interviewgespräch!

LInks:

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